Gerhard Mentzel

Schänzelstr. 9

 

67377 Gommersheim                                                                                 Zwischen den Zeiten

                                                                                                                    Dezember 2006

 

 

 

 

Prof. Dr. Klaus Berger

Landhausstraße 19

 

69115 Heidelberg

 

 

 

 

Anstoß, die Chance zu einem neuen postmodernen Verständnis Jesus zu nutzen:

Einem in allem natürlichen Werden lebendigen Schöpferwort in menschlicher Person

 

 

Sehr geehrter Herr Prof. Klaus Berger,

 

Ihre Widerworte zur oberflächlichen Modernisierung der Religion und Ihr gegen alle rationalistische Wissenschaft gerichteter Ruf nach Bewahrung des Neuen Testamentes in seiner Gesamtheit sowie die darauf folgende Kritik der Fachwelt sind Anlass, mich abermals an Sie zu wenden. Ihre Analyse der heutigen Theologie, die oft längst ihre Inhalte selbst entleert hat, möchte ich als Argument aufgreifen. Ich möchte Sie bitten, das historische Wesen Jesus vom schöpferischen Wort/einer Vernunft allen natürlichen Werdens her zu lesen oder den Anstoß zu einer entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchung zu geben. Durch eine Betrachtung, die nicht einfach von einer kirchlichen Dogmenlehre, sondern dem heute wieder naturwissenschaftlich sichtbaren lebendigen Logos ausgeht, hätten wir die Chance, die biblischen Geschichten, wie die Bedeutungshalte völlig neu zu belegen.

 

Solange nicht in neuer Weise ernsthaft nach dem gegenwärtigen Gottessohn als Grund (statt vor-gesetzten Gegenstand) unserer Gotteswahrnehmung gefragt wird, entleert sich der christliche Glaube immer weiter. Alle Berufungen von Papst Benedikt XVI. auf eine universale Vernunft sind dann ebenso vergebens, wie beispielsweise die Bemühungen der Prozesstheologie, Gottes schöpferisches Wirken aufgrund einer kreativen Vernunft im natürlichen Werden rational erklären zu wollen.

 

Als außerhalb der Amtslehre stehender Laie ist mir ein Denken möglich, das sich aufgrund der allgemein angenommenen Voraussetzungen verbietet. Nachdem ich mich jedoch seit vielen Jahren mit den Erkenntnissen der modernen Forschung und Kritik sowie der theologischen Deutung beschäftige, bin ich sicher: Wenn wir bei unserer Suche nach Wahrheit nicht weiter einen total vermenschlichten jungen Guru voraussetzen, sondern nach dem Schöpferwort/Logos in menschlich-fassbarer Gestalt fragen, lassen sich die von vielen Ihrer Kollegen aussortierten christlichen Bedeutungs- und Geschichtssaussagen begründen. Und noch viel wichtiger als Buchstaben zu bewahren: So können die christlichen Inhalte ihre Wirkung für die aufgeklärte Welt entfalten, die Menschen in freier, aufgeklärter „Ein“sicht eines gemeinsamen Schöpfergottes zum schöpferisch vernünftigen Verhalten führen.

 

Bereits vor Jahren habe ich Sie in verschiedenen Schreiben um die Beurteilung meiner Sichtweise gebeten. Jeder Zuwachs an Wissen über die geschichtlichen Zusammenhänge und die theologischen Bedeutungsinhalte hat mich gewisser gemacht, dass die Wahrheit über das historische Wesen Jesus sowie die Wurzel der gesamten Bibel nur im Schöpfungswort zu finden ist. Ich gehe dabei von einer schöpferischen Weisheit/Vernunft aus, die nicht in persönlicher spiritueller Erfahrung zu uns spricht, sondern im Fluss allen naturwissenschaftlich erklärten evolutionären Werdens wieder sichtbar ist. Diese bereits in der Antike philosophisch erkannte universale Vernunft wird heute im wachsenden Wissen um die Zusammenhänge biologischer Bauteile bzw. der Ordnung des gesamten Kosmos deutlich, ist beispielsweise auch im beigefügten Kalender „Sonnenblicke“ Tag für Tag zu sehen. Alles was ich bei Ihnen, Ihren Schülern und Kollegen über die Zeitenwende, das antike Denken und die zu lösenden Probleme lerne, lässt m.E. keinen anderen Schluss zu, als in der historischen Gestalt Jesu diese kosmische und geschichtliche Weisheit in Person zu betrachten. In den beigefügten Briefen an Dr. Markus Sasse, die sich auch immer wieder auf Ihre Person beziehen, sind einige Beispiele aufgeführt. (Argumente, die mit jedem neuen Wissen wachsen, sind unter www.theologie-der-vernunft.de abgelegt.)

 

Auch wenn ich zwischen den Jahren die ZNT aus dem Briefkasten nehme, wo Ihre ehemaligen Mitstreiter über die Geschichtlichkeit der uns von einem hellenistischen Historiker hinterlassenen Apostelgeschichte diskutieren. Wenn in der neuen „Welt und Umwelt der Bibel“ Religionswissenschaftler den antiken Kulturkampf schildern, dabei die Notwendigkeit innerjüdischer Reformen deutlich wird sowie der griechische Geist, bei dem die universale Vernunft als Grund des jüdischen Gesetzes gesehen wurde. Oder wenn in „Concilium“ internationale Theologen recht universale Überlegungen zur Auferstehung anstellen. Das alles macht bewusst, dass es den antiken Glaubensaufklärern nicht um das Wesen gegangen sein kann, das heutige Wissenschaft weiterhin für historisch hält oder als traditionell vorgesetzten bzw. persönlichen Christusgott hinstellt.

 

Mir ist bewusst, wie maßlos mein Anliegen ist. Wie völlig konträr unsere Denkweisen liegen. Wer sein gesamtes Weltbild und Lebenswerk auf die traditionellen Vorstellungen von einem Menschen mit Namen Jesus gesetzt hat, von einem biblischen Gottessohn ausgehend stundenlang über einzelne Sätze der Bibel brütet, der kann nicht mal kurz zu einer kosmischen Vernunft konvertieren bzw. den natürlichen Logos an den Anfang stellen. Ihre Kollegen, die Sie nach Ihren kirchendogma-kritischen Anfängen, Ihrem Exil im evangelischen Dienst und Ihrem offiziellem Wiederbekenntnis (rechts neben die katholische Kirche) sowie aufgrund Ihrer Verteidigung konservativer Werte und Bibellese kaum noch verstehen, müssten Sie für völlig verrückt halten. Wenn Sie jetzt an der von allen als selbstverständlich voraus-gesetzten, scheinbar noch einzigen Übereinstimmung des christlichen Glaubens  - dem  Reformjuden mit Namen Jesus – zweifelten, würde sie kaum einer noch ernst nehmen.

 

Und doch zwingt nicht nur unser Wissen um die geistigen Wurzeln, sondern auch die von Ihnen dargestellte Situation unseres christlichen Glaubens genau zu dieser Wende.

Wäre es nicht Aufgabe der Theologie, die Texte unserer Glaubenstradition im Kontext des uns inzwischen gegebenen Geschichtswissens unvoreingenommen auszuwerten. Die Krankheit der christlichen Theologie bedarf eines neuen Verständnisses der Funktion des echten jüdischen Königs, der, nach dem was wir inzwischen wissen, kein zum Christusgott erhobener Guru gewesen sein kann. Wer wie Sie nachaufklärerische, meist anthropologisch-humane oder psychologische Interpretation des Neuen Testamentes ebenso kritisiert, wie reinen Dogmatismus, der sollte bereit sein, die Frage nach dem Wesen Jesus neu anzustoßen. Nicht dem Diktat moderner Geschichtsforschung oder Biologie, Physik und Philosophie gilt es gerecht zu werden, sondern darin nach dem in Jesus heute lebendigen Wort Gottes zu hören. Die wissenschaftliche Suche nach dem grundlegenden gemeinsamen Logos als gegenwärtigen Wort kann eine Wende herbeiführen, die die Mythen bewahrt, zur Spiritualität bewegt und die von vielen Ihrer Kollegen verkürzte Christologie inhaltlich füllt.

 

Vor allem jedoch: Den Menschen ein gemeinsames aufgeklärtes Gehör ermöglicht, das zur globalen Verant„wort“ung ruft, in Einübung durch traditionelle Riten und bewusster Begeisterung für die schöpferische Vernunft des einen Gottes menschlichen Sinn gibt und den Alltag bestimmt. Das buchstäbliche Beharren auf „Auferstehung“ kann keine gemeinsame Wahrnehmung des einen Schöpfergottes bringen. Es führt nur zum gegenseitigen Abstreiten. Gefragt ist der Neuverstand des echt Auferstandenen mit aufgeklärten Augen. Der Anstoß zu seiner Suche kann weder von der Abbau betreibenden historisch-kritischen Seite ausgehen, noch einer blinden Dogmatik. Genau darum wende ich mich an Sie als angesehenen Wissenschaftler, der bisher keine Provokation scheute und auf der Suche nach Glaubenswahrheit die Seiten wechseln kann, ohne dabei die jeweiligen Inhalte aufzugeben. Nur jemand wie Sie, kann die ernsthafte Suche anstoßen.

 

Mir ist klar, wie schwer der von mir geforderte Wechsel der Sichtweise des historischen Jesus bzw. des Weltbildes ist. Und vor allem, welchen gewaltigen Wandel im gesamten christlichen Denken dieser Perspektivenwechsel auslösen würde. Doch war nicht die geistige Wende genau das, was wir im Neuen Testament nachlesen, was wir ständig verlangen und von was zwischen Weihnachten und Neujahr so viel die Rede ist, für das Jesus der Grund sein soll?

 

Warum verbietet es sich, in neuer Weise das „Sola sacra scriptura“ deutlich zu machen, zu zeigen, dass die Heilige Schrift keine „Bauchrede“ ist, in Bezug auf die biblische Botschaft das schöpferische Wort in allem naturwissenschaftlichen Werden nachzuweisen? Warum dürfen wir die modernen Menschen nicht zu freien aufgeklärten Hörern machen? Was sonst als die unbewusste Angst der Schriftlehrer, die „Wort“gewalt und damit das Monopol über die göttliche Moral zu verlieren, schließt ein kirchenamtliches Nachdenken aus? Was hindert uns daran, das Wesen Jesus aus neuer Perspektive zu hinterfragen? Ihre Analyse der modernen Theologie macht bewusst: Der christliche Glaube kann nur gewinnen.

 

Eine argumentative Antwort, warum es unwissenschaftlich und keinen Gedanken der unzähligen theologischen Versuche Wert sei, nach dem Schöpferwort in menschlicher Person als dem biblischen Jesus zu fragen, sind mir bisher alle Ansprechpartner schuldig geblieben.

 

Mit großer Hochachtung für Sie sowie Ihren Glauben.

Gleichzeitig in der Hoffnung auf Gehör für das lebendige Wort und eine kurze Antwort.

 

Gerhard Mentzel

 

 

 

Heute wo wir wissen, dass mit Moses kein historischer Mensch im banalen Sinne bezeichnet wurde, sondern er für den vom Schöpferwort ausgehenden befreiten Monotheismus steht. Wo eine im Koran beginnende Forschung „muhammad“ (wörtlich „gelobt“) als hoheitlichen arabischen Christustitel deutlich macht. Andere dagegen halten, dass Mohammed eine von Jesus verschiedene Persönlichkeit sei und gerade deshalb nicht als Hoheitsperson, sondern im herkömmlichen Sinne als Religionsgründer historisch zu verstehen sei, da hätten Sie die Chance, den Grund des gemeinsamen monotheistischen Glaubens neu deutlich zu machen.

Warum schließt es sich aus, dem Weltfriede auf diese Weise näher zu kommen?